Leinezeitung am 24.12.2013
Sorinas Auftritt ist oft schnell vergessen
Wenn Heike Ippensen kommt, zählt nur das Hier und Jetzt: Die Lohnderin besucht als Clownin Demenzpatienten.
Kein Klamauk, sondern ernsthafte Heiterkeit: Die Lohnderin Heike Ippensen arbeitet seit sieben Jahren als Clownin in Alten- und Pflegeheimen in der Region hannover. Seit einem halben Jahr besucht sie auch einmal im Monat die Demenzabteilung der Seelzer Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Von Sarah Sauerbier, Seelze
Erwartungsfroh wirkt die kleine Gruppe der Senioren nicht, die sich am Nachmittag in einem Stuhlkreis im Aufenthaltsraum im AWO-Pflegeheim zusammengefunden hat. Sie wissen noch nicht, dass sich ihre ruhige und in sich gekehrte Stimmung in wenigen Minuten komplett ändern wird: Denn Abwechslung und humorvolle Unterhaltung steht auf dem Plan, wenn Clownin Sorina mit ihrem Koffer voller Überraschungen die Pflegeeinrichtung besucht.
Obwohl Ippensen seit diesem Sommer jeden Monat in der Seelzer Einrichtung auftritt, kann sich keiner ihrer Zuschauer an sie erinnern – denn sie sind an Demenz erkrankt. „Viele von ihnen wissen nach fünf Minuten nicht mehr, was es zum Mittagessen gab, wo sie sind oder wie ihre Kinder heißen. Sie leben in ihrer eigenen Welt – meist in ihrer Kinder- und Jugendzeit. Daher erkennen einige auch ihr eigenes Spiegelbild nicht“, beschreibt Matthias Schecher, Wohnbereichsleiter der Demenzabteilung, seine Erfahrung.
Egal: Wenn Ippensen da ist, zählt einfach das Hier und Jetzt. Mit ihren Markenzeichen – einer roten Nase, einem Herz auf der rechten und einer Sonne auf der linken Wange – schüttelt die Lohnderin jedem Bewohner die Hand und erntet strahlende Gesichter, wenn sie sich die Namen gemerkt hat. Und wenn ihr ein Name mal nicht ad hoc einfällt oder beim Ball zuwerfen ein Bewohner mal nicht fängt, nehmen ihr das die Senioren auch nicht krumm – Sorina ist halt manchmal etwas schusselig.
„Eines ist immer wichtig: Grundsätzlich wird nicht über die Senioren, sondern ausschließlich über Sorina gelacht“, sagt die 50-Jährige, die vor knapp zehn Jahren ihren Beruf als Diakonin an den Nagel hängte und sich an der Clownsschule Hannover ausbilden ließ.
Sie korrigieren Ippensen, als sie sich mit einer Klobürste die Haare bürsten will, genießen die Berührungen bei einer kleinen Kniemassage und manch einer kichert, als die Clownin einen Herrn mit dem Brotmesser rasiert – die Senioren haben ihren Spaß. „Ich versuche viel über Mimik, Gestik und Körperkontakt auf ihre Gefühlswelt einzugehen. Ich weiß jedoch nie vorher, wie meine Ideen ankommen“, sagt Ippensen.
Sorina kommt nicht nur bei den Heimbewohnern, sondern auch beim Personal gut an: „Sie geht als fremde Person anders auf die Bewohner ein. So erreicht sie teilweise Reaktionen, mit denen wir vorher niemals gerechnet hätten“, sagt Ergotherapeutin Ute Sawahn erfreut.
Auch wenn Ippensens Auftritt an diesem Tag bei ihrem Seelzer Publikum schnell wieder vergessen sein wird, die Lohnderin stört das nicht: „Wenn ich es schaffe, dass jemand, der sonst apathisch wirkt, für einen Augenblick wieder lebendig ist, dann ist das für mich ein unglaublich tolles Gefühl.“ Und so ganz sicher ist sich Ippensen auch nicht, ob sie nicht doch etwas in Erinnerung bleibt. Denn sobald die Clownin zu ihrem Abschlussritual die Seifenblasen rausholt, weiß manchmal schon noch einer, was gleich passiert – sie dürfen alle mal pusten.
Foto 1: Das Abschlussritual: Heike Ippensen lässt als Clownin Sorina einige Seifenblasen im Raum der Demenzabteilung im Seelzer Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt zurück – die kleinen Blasen halten sich nämlich mehrere Tage lang. Sauerbier (3)
Foto 2: Mit Handschlag und Namen: Heike Ippensen begrüßt als Clownin Sorina alle Bewohner einzeln.
Foto 3: Eine Rasur mit einem stumpfen Brotmesser gefällig? Heike Ippensen lässt sich allerlei Unfug einfallen. Ihr Publikum freut sich über die lustigen Aktionen.